Medienethik

Die Medienethik ist eine wissenschaftliche Disziplin, die sich mit der Beurteilung und Kritik von Handlungen und Strukturen im Bereich der medienvermittelten (öffentlichen) Kommunikation beschäftigt. Da Medien immer Teil der Kommunikation oder einer Information sind, müssen sie sich einer moralischen Beurteilung stellen. Medienethik fragt also als wissenschaftliche Disziplin nach dem Guten und dem Gerechten der Medien bzw. des Medienhandelns. Die ethische Fragestellung ist folglich, wie Medien sowohl von Seiten der Produzenten als auch der Rezipienten genutzt werden sollen, aber auch deren Beurteilung unter moralischen Gesichtspunkten. Alltagssprachlich wird unter Medienethik auch die moralische Haltung etwa einer Zeitung oder eines Senders bezeichnet. In diesem Beitrag wird die Medienethik als wissenschaftliche Disziplin verstanden.

    Basisinformationen

    Die Medienethik ist ein Teilbereich der Ethik und damit der praktischen Philosophie. Als solche befasst sie sich mit dem praktischen Handeln des Menschen und ist in der Regel weniger "abstrakt" als andere Felder der Philosophie, wie zum Beispiel die Philosophie des Geistes oder die Metaphysik. Die Medienethik im Speziellen ist eine sogenannte Bereichsethik, da sie sich ethisch mit genau einem Bereich befasst – dem der Medien.
    Wie für jede Bereichsethik ist es auch für die Medienethik schwierig bzw. eine Herausforderung, ihren Gegenstand und ihre Probleme genau zu bestimmen. Der Begriff Medien bezeichnet einen äußerst vielfältigen Phänomen-, Sach-, oder Handlungsbereich. Auch der Begriff des Mediums als Beschreibung für einen Vermittler oder deren Übertragungsfunktion zwischen Sender und Empfänger ist nur bedingt zur Bestimmung des Gegenstands der Medienethik hilfreich. Üblicherweise geht es der Medienethik um medial vermittelte öffentliche Kommunikation (vgl. Funiok 2007; Schicha/Brosda [Hg.] 2010). Medien spielen aber auch in privaten oder teilöffentlichen Bereichen eine immer wichtigere Rolle, so dass der Begriff der Öffentlichkeit nicht zwangsläufig den Mittelpunkt der Medienethik bildet. Im Zuge des Digitalen Wandels verändert sich der Medienbegriff und damit auch der Gegenstandsbereich der Medienethik. Infolgedessen können Informationsethik und Medienethik mittlerweile nicht mehr eindeutig voneinander getrennt werden (vgl. Heesen [Hg.] 2016). Durch diesen Wandel und die damit verbundene Durchdringung von medial vermittelter Kommunikation in nahezu alle Lebensbereiche sind auch die Anwendungsbereiche der Medienethik stark gewachsen.
    Die Welt der öffentlichen Kommunikation lässt sich klassisch unterteilen in die Bereiche Journalismus, Unterhaltung, Werbung und Public Relations (PR). Eine Ethik des Journalismus setzt vornehmlich bei ihrer Rolle für die demokratische Gesellschaft an (vgl. Thomaß 2016) und betont in diesem Kontext auch die anwaltschaftlichen Aufgaben des Journalismus (vgl. Altmeppen 2016). Wichtige Themen sind hier die Pressefreiheit sowie die Selbstkontrolle journalistischer Akteure. Die Ethik der Public Relations (Öffentlichkeitsarbeit) sieht die PR auf einen Dienst an der Öffentlichkeit verpflichtet und unterstreicht die wirtschaftsethischen Aspekte dieses Bereichs (vgl. Bentele 2016; Rademacher 2010). Die Ethik der Werbung fokussiert bspw. unangemessene Darstellungen, die diskriminierend wirken, und kritisiert manipulative Strategien (vgl. Bohrmann 2010). Eine Ethik der Medien-Unterhaltung mit den Gegenständen TV-Unterhaltung, Film und Kino wie auch Computerspiele unterscheidet zwischen guter und schlechter Unterhaltung, etwa hinsichtlich des Kriteriums der Menschenwürde (vgl. Filipović 2016b) oder eines wirksamen Jugendmedienschutzes. Aber auch die Perspektive des Medienrezipienten kann ethisch behandelt werden (vgl. Funiok 2007).

    Der Moral von Medien kann man sich sowohl empirisch als auch normativ nähern. Eine empirische Medienethik richtet sich in ihrer deskriptiven (beschreibenden) Variante auf das Ethos (etwa der Journalisten). Ziel ist eine Darstellung der Herkunft und der Funktionen der Moral, wozu sie auf eine übergeordnete (Handlungs-, Gesellschafts-, …-) Theorie angewiesen ist. Diese Art und Weise der Beschäftigung mit dem Bereich der Medienmoral findet sich in den Kommunikationswissenschaften wieder. Das eigentliche Geschäft der Ethik ist aber das Interesse an normativer Erkenntnis: Die Medienethik kann zunächst als eine bewertende, evaluierende Ethik beschrieben werden, welche die Moral im Bereich der Medien und der öffentlichen Kommunikation anhand einer (aus Gründen) zu Recht geltenden Moral beurteilt. Dieses Urteilen über moralische Fragen ist das Kerngeschäft der Medienethik: Darüber hinaus gibt es einen zweiten Teil der normativen Aufgabe, die man präskriptive (vorschreibende) Ethik nennt: Menschen handeln in den Medien nicht immer gemäß (zu Recht geltender) moralischer Normen, so dass eine Bewertung dieser Handlung im Modus einer Sollensaussage getätigt wird.
    Die empirischen und normativen Perspektiven schließen sich jedoch keinesfalls gegenseitig aus. In ihrem normativen Urteil über gute (bzw. richtige) und schlechte (bzw. falsche) Handlungen und Strukturen bezieht sich die Medienethik immer auch auf empirische Erkenntnisse und macht als Teildisziplin der Ethik immer Vernunftgründe geltend, von denen sie erwarten kann, dass diese allgemein nachvollziehbar sind. In diesem Sinne ist sie professionelle, nach wissenschaftlichen Standards arbeitende Medienkritik (vgl. Filipović 2016a).


    a. Grundnormen der Medienethik

    Zur moralischen Beurteilung der Medienkommunikation bleibt ein normativer Begriff von Öffentlichkeit das wichtigste Kriterium. Im Hintergrund steht die deliberative Demokratietheorie und die Diskursethik von Jürgen Habermas. In Rekurs auf die deliberative Demokratietheorie und die Diskursethik von Jürgen Habermas hat die öffentliche Kommunikation in Demokratien eine zentrale Dienstfunktion für die Selbstbestimmung der Gesellschaft. Informations- und Meinungsfreiheit (einschließlich Zensurverbot) sind wichtige Errungenschaften moderner Rechtsstaaten. Der Begriff der Verantwortung hilft als Element der Moraltheorie bei einer Zuordnung von Akteuren und ihren Verpflichtungen, etwa zwischen Medienpolitik, Verlegern, Journalisten und Verbänden. Der Begriff der Qualität z.B. des Journalismus eignet sich als sozialwissenschaftlich anschlussfähiger Begriff für empirisch arbeitende Disziplinen, wie den Kommunikationswissenschaften (vgl. Bucher/Altmeppen [Hg.] 2003). Ein anspruchsvolles Konzept der Beteiligungsgerechtigkeit im medialen Kontext (beispielweise Zugang zum Internet) bezieht zudem Bereiche wie Wissen und Bildung mit ein (vgl. Hausmanninger 2005; Filipović 2007).


    b. Verhältnis zum Recht

    Im Verhältnis zum Medienrecht geht es der Medienethik zum einen um Einstellungen, Handlungen, Werte und Verhaltensweisen, die juristisch nicht direkt regelbar sind oder nicht geregelt werden sollen und zum anderen um Einschätzungen, ob die rechtlichen Regelungen der (öffentlichen) Kommunikation über Medien moralischen Grundsätzen entsprechen.
    Zentral ist auch der Bereich des Jugendschutzes, aber auch der Medienregulierung überhaupt. Die Überlegungen der Medienethik zielen oftmals in Richtung einer entsprechenden Regulierung des Mediensystems (Medienpolitik, regulierte Selbstkontrolle) und in Richtung der verbesserten Medienbildung, wobei das Konzept der Medienkompetenz ein gemeinsames Feld der Medienpädagogik und der Medienethik darstellt.


    c. Aktuelle Herausforderungen

    Die jeweils aktuellen Herausforderungen der Medienethik ergeben sich oft aus den technischen Veränderungen (vgl. Rath 2014). Der Digitale Wandel verändert Akteure, Abläufe, Dynamiken und Auswirkungen des öffentlichen Kommunizierens. Die heutige öffentliche Kommunikation läuft in Echtzeit ab, wodurch auch Entschleunigungs- und Kontrollprozesse wegfallen (vgl. Altmeppen et al. 2015). Im politisch-ethischen Kontext steht zur Debatte, ob wir den normativen Anforderungen an eine diskursive Funktion öffentlicher Kommunikation noch gerecht werden können (vgl. Stapf et al. [Hg.] 2017). Die Personalisierung von Kommunikationsinhalten kann zu Effekten wie den sogenannten Filterblasen oder Echokammern führen. Die Verbreitung von aggressiver Kommunikation im Netz in etwa im Kontext von Flucht und Migration hat desintegrative Folgen (vgl. Prinzing et al. [Hg.] 2018). Wichtige Aufgabe der Medienethik bleibt in positiver Hinsicht, die Potentiale einer auf Verständigung und Solidarität ausgerichteten Medienkommunikation zu erkennen, in die Debatte einzubringen und an ihren Realisierungen mitzuarbeiten.

    In der heutigen von Medien durchwirkten Zeit ist dieser Bereich wirkmächtig und eng verbunden mit dem Alltagsgeschehen. So ist beispielsweise die richtige Einordnung medialer Inhalte entscheidend, um sich in der immer stärker medial vermittelten Lebenswelt zurecht zu finden. Die Praxis der Medienethik kann entsprechend in der Rezeption und Bewertung von aktuellen medialen Ereignissen, Praktiken der öffentlichen Kommunikation (beispielsweise: Wie kommunizieren wir inhaltlich? In welcher Form kommunizieren wir?), aber auch in der ethischen Analyse von Medienprodukten, wie Filmen oder Bildern geschehen. Einen entscheidenden Teil der Medienethik stellt die kritische Beurteilung der öffentlichen Kommunikation in Bezug auf das Verhältnis von Medien und Politik dar.


    a. Medien und Politik – ein schwieriges Verhältnis

    Die Bedeutung der Medien wächst mit ihrem Wandel laufend, besonders mit dem Fernsehen ab Mitte des 20. Jahrhunderts. Mediale Berichterstattung, vormals eher Begleiterscheinungen des politischen Betriebs, wird zur Voraussetzung von Politik; Medien "rück[]en […] von der Peripherie ins Zentrum des Geschehens" (Kepplinger 1998: 37).
    Dies stellt Demokratien vor eminente Herausforderungen, denn die Legitimation allen Politik- und Staatshandelns erfolgt in Demokratien durch Kommunikation (vgl. Sarcinelli 2011: 7). Für die Legitimation der Politik sind die Akteure auf Leistungen angewiesen, die nur durch Medien im Sinne von publizistischen Organisation (Zeitungen, Rundfunksendern) erbracht werden können. Die Politik wird immer "kommunikationsabhängiger" (ebd.) – und gleichzeitig ergeben sich durch grassierende Politikverdrossenheit und mangelndes Vertrauen in Institutionen und die Demokratie schlechthin Zweifel an der Legitimität von Politik. Nach Sarcinelli ist das auf gesellschaftliche Wandlungsprozesse, die dauernde Veränderung des Mediensystems und den "Souveränitätsverlust des politisch administrativen Systems" (ebd.) zurückzuführen. Besonders die Entwicklung des Mediensystems, etwa seine Ökonomisierung, führt "dazu, dass sich das Verhältnis zwischen Medien und Politik zunehmend entkoppelt. Die Logik des Marktes schafft Distanz zum politischen System, seinen Akteuren und Institutionen" (ebd.: 8).
    Dabei ist es per se natürlich und sogar wichtig, dass die Politik Öffentlichkeitsarbeit und Public Relations betreibt. Politische PR hat eine wichtige Informationsfunktion, Themen werden getestet, Unterstützung für politische Ideen kann so gefunden werden. Der Politik vorzuwerfen, die öffentliche Meinung beeinflussen zu wollen, ist absurd. Der Politik vorzuwerfen, das möglichst professionell mit wirklichen Experten tun zu wollen, ebenso. Politische PR ist ebenso notwendig wie legitim (vgl. Sarcinelli 1993: 496, zum ganzen Komplex vgl. Jarren/Donges 2011: 170–195). Politische Werbung, Marketing, Propaganda und das manipulative Spin-Doctoring können von der legitimen Polit-PR abgegrenzt werden. Aber auch bei der Politischen PR setzt man darauf, dass es einen funktionierenden Journalismus und ein funktionierendes Mediensystem gibt, das die Strategien der politischen PR aufdeckt und andere Informationen zum Thema zur Verfügung stellt.
    Medienethisch gesehen bleibt entscheidend, dass professionelle politische Kommunikation einen Ausgleich in einem professionellen Journalismus findet. Nur so kann Manipulationen vermieden werden. Das allein kann jedoch auch nicht eine funktionierende öffentliche Kommunikation für die gesellschaftliche Selbstbestimmung gewährleisten. Auch die Bürger haben eine Verantwortung für das Gelingen einer öffentlichen Debatte, die an die Politik zurückspiegelt, was das Volk für gut und richtig hält. Diskursregeln, Regeln des kommunikativen Miteinanders, eine gesunde Skepsis aber auch Vertrauen in den Journalismus sind in diesem Sinne wichtige Güter.


    b. Praktisches Beispiel am Film "Wag the Dog"

    Was passieren kann, wenn Politische PR sich der Mittel des Marketings, der Propaganda und dem manipulativen Spin-Doctoring bedient, zeigt der 1997 erschienene Film "Wag the Dog – Wenn der Hund mit dem Schwanz wedelt" von Produzent und Regisseur Barry Levinson (vgl. dazu Filipović 2018). Levinson inszeniert, wie sehr das Verhältnis von politischer Kommunikation zu moralischen Kategorien wie Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit kippen kann. Der Film basiert auf dem Roman "American Hero" von Larry Beinhart (1993).
    Der Handlungsablauf besteht kurz gefasst darin, dass zwölf Tage vor der Wahl des US-amerikanischen Präsidenten bekannt wird, dass der amtierende Präsident, der sich der Wiederwahl stellt, eine Schülerin sexuell belästigt haben soll. In dieser Lage wird der Spin-Doctor Conrad Brean ins Weiße Haus bestellt, um die Situation im Sinne des Präsidenten zu bereinigen, damit das Ziel der Wiederwahl erreicht werden kann. Die Strategie Breans besteht im Folgenden darin, von dem Vorwurf abzulenken, wozu er schließlich zusammen mit der Pressechefin des Präsidenten, Winifred Ames, und dem Hollywood-Produzenten Stanley Motss einen Krieg (gegen Albanien) erfindet und medial inszeniert. Dies funktioniert zunächst, bis dann aber der konkurrierende Präsidentschaftskandidat zusammen mit der CIA den Krieg für beendet erklärt. Sofort ist der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs wieder auf der medialen Agenda. Um dem entgegenzuwirken, erfindet Brean mit seinen Leuten einen Kriegshelden, der im Kriegsgebiet zurückgeblieben ist und nun wieder in die USA zurückgeholt werden soll. Zur medialen Inszenierung wird dafür ein Soldat mit dem Namen Schumann in einem Militärgefängnis gefunden und schließlich von Brean und seinen Leuten abgeholt. Schuman stellt sich als psychisch kranker Schwerverbrecher heraus, der im Zuge des Rücktransports eine Frau vergewaltigt und erschossen wird. Auch aus dieser Not machen Brean und sein Team eine Tugend und inszenieren die Heimholung des toten Soldaten. Die ganze Bevölkerung trauert und feiert den (erfundenen) Kriegshelden. Der Präsident wird schließlich mit 89 Prozent der Stimmen wiedergewählt, wodurch die Mission von Brean geglückt ist. Der Hollywood-Produzent Motts vermisst allerdings eine öffentliche Anerkennung für seine Tätigkeit und will in dieser Sache nicht nachgeben. Er wird daraufhin von Beamten abgeführt und der Zuschauer erfährt von seinem Ableben durch einen angeblichen Herzinfarkt.
    (Intensivere filmanalytische Beschäftigungen mit Wag The Dog liegen vor mit den Texten von Stefanie Tornow-Godoy (2012) und Peter Schmitt (2008))
    Im Zuge der Entwicklung des Fernsehens gab es viele Stimmen, die einen damit korrespondierenden Verfall des politischen Systems diagnostiziert haben. Der Film bezieht sich klar auf diese Aussage. Retrospektiv kann man dem Film (1997) hellseherische Fähigkeiten zusprechen, da in der Lewinsky-Affäre des Präsidenten Bill Clinton (1998) Parallelen zum Film entdeckt werden können (vgl. Tornow-Godoy 2012: 101). Der dem Film zu Grunde liegende Roman "American Hero" zielt eher auf George Bush Sen. ab (vgl. ebd.). Auch die Bezüge im Film auf tatsächliche Phänomene und historische Gegebenheiten verweisen schon darauf, dass der Film sehr konkret Stellung zu einer gesellschaftlichen Debatte bezieht. Dies ist vor allem die Diskussion um die Polarisierung und Medialisierung nicht nur der amerikanischen Politik, des Aufschwungs professioneller Politikberater in den 1990er Jahren und des schrittweisen Verfalls eines kritischen Journalismus in den Vereinigten Staaten.


    c. Verhältnis zur aktuellen gesellschaftliche Debatte

    Die Problematik einer von politisch-ideologischer Seite manipulierten Öffentlichkeit und der Ausfall der Aufgabe des Journalismus und der Medien ist seit dem Film 1997 nicht kleiner geworden. In den letzten Jahren hat es, induziert durch die fortschreitende Digitalisierung der Medien, eine starke Finanzierungskrise des Journalismus gegeben. Vor allem durch die Abwanderung der Anzeigen in den Online-Bereich fehlen dem Qualitätsjournalismus wichtige Einnahmequellen. Die Folgen sind Personalabbau in den Redaktionen, vermehrter Zeitdruck und schlechtere Arbeitsverhältnisse für Journalisten. Zu dieser Wirtschaftskrise und damit zusammenhängend hat sich eine Glaubwürdigkeitskrise des Journalismus gesellt. Diese Glaubwürdigkeitskrise ist auch, aber nicht nur und vielleicht gar nicht in erster Linie durch Fehlleistungen des Journalismus zu erklären und zu begründen. Es ist ein grassierender Vertrauensverlust, der selber Interessen verfolgt und populistische Quellen hat. Es liegt so etwas wie ein sehr weit verbreiteter Fehlschluss vor von den medialen Potentialen, Wirklichkeit herzustellen und zu prägen, auf die allumfängliche tatsächliche Realisation dieser Potentiale. Das Internet potenziert verfügbar Informationen und erstaunlicher- und paradoxerweise wird diesen "Fakten" dort gerade deswegen mehr vertraut, weil sie nicht mit dem "Mainstream" übereinstimmen. Die für diese Ansicht notwendige Verschwörungstheorie, dass die USA, die deutsche Politik und die Wirtschaft unter eine Decke stecken, die Öffentlichkeit im großen Stil belügen und um ihre Rechte betrügen, ist breit etabliert und nur als Regression in eine mythische Weltdeutung zu erklären.
    Am Ende bleibt daher einerseits eine ernüchternde Diagnose: Das Internet wäre ein Kandidat für eine Plattform, mit deren Hilfe solche Manipulationsbemühungen wie im Film dargestellt zu entlarven wären, aber auch eine Plattform, die der Öffentlichkeit wieder die Mittel an die Hand geben könnte, damit sie nicht der Hund ist, mit dem gewackelt wird.  Das Internet aber ist mittlerweile selber korrumpiert, wird zur staatlichen und ökonomischen Überwachungsmaschine. Zudem geben die Daten der Internetnutzung und Social Media selbst der Politik und anderen ideologischen Akteuren die Möglichkeiten an die Hand, menschliches Verhalten vorauszuberechnen und zu beeinflussen.
    Worauf bleibt zu hoffen in einer solchen Situation? Wie könnte die Öffentlichkeit wieder so stark und "schlau" werden, dass sie sich gegen Manipulationen und den Diskurs destruierende Bestrebungen wehren kann?


    e. Fragen zur Diskussion

    Wie wird Politik heute kommuniziert, wer arbeitet etwa in der Kommunikations- und Strategieabteilung der Bundesregierung? Gibt es in der Öffentlichkeit dazu Berichte und eine niveauvolle Diskussion?
    Wie steht es um den Journalismus in Deutschland, aber auch weltweit? Wie ist der Zusammenhang von Demokratie, Pressefreiheit und Journalismus?
    Ist das Internet ein demokratisches Medium oder macht es öffentliche Diskussionen und die demokratische Selbstbestimmung einer Gesellschaft schwieriger?
    Welche Themen werden in den Medien aktuell behandelt? Wie werden diese Themen medial vermittelt und wie verhalten sich diese Themen zur subjektiv empfundenen Lage der Öffentlichkeit?

    Basisliteratur

    Zeilinger, T.: Medienethik, in: Kaiser, M. (Hg.): P-Seminar Medien. Konzepte, Beispiel, Materialien, München 2013, 173–186.
    Zeitschrift: Communicatio Socialis, Nomos Verlag.
     

    Vertiefende Literatur

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    Altmeppen, K.-D., Bieber, C. et al.: Echtzeit-Öffentlichkeiten, in: CommS 48/2 (2015), 382–396.
    Arntzen, H.: Satire in der deutschen Literatur. Geschichte und Theorie. Vom 12. bis zum 17. Jh., Darmstadt 1989.
    Bentele, G.: Ethik der Public Relations, in: Heesen, J. (Hg.): Handbuch Medien- und Informationsethik, Stuttgart 2016, 313–319.
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    Bucher, H.-J., Altmeppen K.-D. (Hg.): Qualität im Journalismus. Grundlagen, Dimensionen, Praxismodelle, Wiesbaden 2003.
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    Filipović, A.: Medienethik: Das Verhältnis von Medien und Politik - "Wag the Dog - Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt", in: Bohrmann, T., Reichelt, M., Veith, W. (Hg.): Angewandte Ethik und Film. Wiesbaden 2018, 205–228.
    Funiok, R.: Medienethik, Stuttgart 2007.
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    Schiller, F. v.: Über naive und sentimentalische Dichtung, in: Riedel, W. (Hg.): Friedrich von Schiller: Sämtliche Werke, Bd. 5: Erzählungen. Theoretische Schriften, München, Wien 2004, 694–780.
    Schmitt, P.: "Wag the Dog" und Medienwirkung, in: Ludwigsburger Beiträge zur Medienpädagogik 11 (2008), 13–24.
    Stapf, I., Prinzing, M., Filipović, A. (Hg.): Gesellschaft ohne Diskurs? Kommunikations- und Medienethik, Bd. 5, Baden-Baden 2017.
    Stapf, I., Zeilinger, T.: Medienethik. Eine Frage von Freiheit und Verantwortung, in: Haberer, J., Kraft, F. (Hg.): Kompendium Christliche Publizistik 2014, 241–262.
    Thomaß, B.: Ethik des Journalismus, in: Löffelholz et al. (Hg.): Handbuch Journalismustheorien, Wiesbaden 2016, 537–550.
    Tornow-Godoy, S.: Konstruktion der Wahrheit. Die Manipulation der US-Bevölkerung durch Politik und Medien am Beispiel der politischen Satire "Wag the Dog", Hamburg 2012.
     

    Links

    http://www.communicatio-socialis.de/blog
    http://www.unbeliebigkeitsraum.de/
    http://www.zemdg.de

    Veröffentlicht am 12.10.2017 (Version 1.0).

    Zitierweise:
    Filipović, A., Wagner, T.: Art. "Medienethik" (Version 1.0 vom 12.10.2017), in: Ethik-Lexikon, verfügbar unter: https://ethik-lexikon.de/lexikon/medienethik.